Durch Digitalisierung das Personal fördern – Interview mit TUTORize-Gründer Michael Morgen

Blogpost vom:
Nie war das Thema Human Resources wichtiger als heute. Wie kann ein Unternehmen erfolgreich seine Mitarbeiter fördern, sich digitalisieren, weiterentwickeln und das Personal halten? TUTORize ist ein im TZK ansässiges Start-up, das genau dafür eine umfangreiche Software-Lösung bietet, auf deren Basis einer ihrer Kunden kürzlich den ersten Corporate Culture Award in Deutschland gewann. Wir haben mit einem der drei TUTORize-Gründer, Michael Morgen, über ihr innovatives Software-System, Digitalisierung und Gründergeist gesprochen.   Herr Morgen, bitte stellen Sie sich kurz vor. Morgen: Mein Name ist Michael Morgen, ich bin Geschäftsführer und Gründer der TUTORize GmbH, die ich zusammen mit zwei Kollegen 2011 gegründet habe. Wir beschäftigen uns mit effektiven Methoden für Human Resources in Unternehmen.   Was genau ist TUTORize? Morgen: Wir sind ein Software-Hersteller und haben ein Lernmanagement-, Talentmanagement- und Wissensmanagementsystem entwickelt. Diese drei Kernmodule arbeiten Hand in Hand zusammen, um Unternehmen samt ihres gesamten Wissens- und Bildungsprozesses zu digitalisieren. Die Idee dahinter ist, dass man durch die Förderung von Mitarbeitern, zum Beispiel durch Schulungen, das ganze Unternehmen weiterentwickelt. Das muss nicht unbedingt von einer Personalabteilung oder einem Teamleiter gesteuert werden. Wir bieten in unserem System auch die Möglichkeit, dass man peer-to-peer lernt. Viele unserer Kunden setzen das ein.   Woher kommen die Schulungen im System? Morgen: Die Schulungen können zugekauft sein, wofür wir mit Partnern zusammenarbeiten. Von der Office-Schulung bis zu Soft Skills – wir können auf Wunsch umfangreiche Schulungsbibliotheken ausliefern. Über unsere Tochterfirma OrgaBrain können wir zudem auch selbst Schulungen für den Kunden herstellen. Am schicksten ist allerdings die dritte Variante: Wir qualifizieren die Unternehmen, damit sie all das selbst machen können. So funktioniert ein lernendes Unternehmen besonders gut. Wenn man alles extern produzieren lässt, entstehen immer ziemlich hohe Kosten. Schulungen sind teuer. Wenn man Unternehmen also die Möglichkeit gibt, selbst Schulungen anzulegen, sparen diese eine Menge Kosten. In unserem System gibt es sowohl eLearnings als auch ein Seminar-Management und Blended Learning. Wir sehen den ganzheitlichen Ansatz.   Digitalisierung wird häufig mit Stellenabbau gleichgesetzt. Welche Rolle spielt dabei Ihre Software? Morgen: Soviel ich weiß, wurde noch nie jemand wegen uns entlassen. Im Gegenteil, Unternehmen nutzen unser Tool, um sich durch andere Maßnahmen effektiver zu machen. Einer unserer Kunden aus der Versicherungsbranche nutzt unser Tool im Bereich Wissensmanagement und spart mit den durch uns verbesserten Prozessen sowie der signifikant besseren Bedienbarkeit so viel Zeit, dass dort jetzt sogar mehr Redakteure, also Content-Produzenten, eingesetzt werden als früher. Die Qualität sowie Aktualität ihrer Inhalte wurde erhöht, weil die Inhalte nicht an einzelne Niederlassungen und Teams gebunden, sondern für alle verfügbar und gleich sind. Das verhindert nicht zuletzt Missverständnisse und Wissenslücken. Unsere Software bietet diverse Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten, die sehr gerne und viel genutzt werden. Uns hat überrascht, wie intensiv zum Beispiel ein Notizwidget in unserem System genutzt wird, mit dem sich Mitarbeiter Notizen anlegen und diese mit Kollegen teilen können.   Könnten Sie ein Beispiel dafür nennen, wie dieses Widget eingesetzt wird? Morgen: Nehmen wir einen Teamleiter. Er erstellt eine Liste mit wichtigen Links und Informationen, die für sein Team aktuell zum Beispiel auf der Basis einer Gesetzesänderung relevant sind. Wenn er anschließend doch noch weitere Informationen findet, kann er die Liste jederzeit aktualisieren, und kein Mitarbeiter greift versehentlich auf veraltetes Wissen zurück, so wie das mit E-Mails sehr leicht passiert. Und umgekehrt, wenn Wissen, das irgendwann irrelevant wird, nicht mehr auffindbar sein soll, packt man es in unser Archiv. Leute, die dazu berechtigt sind, können dann weiterhin darauf zugreifen, aber sonst niemand. Auch wenn ein Unternehmen die ISO-Zertifizierung haben möchte, ist es mit unserer Software gut aufgehoben.   Ihr Kunde Heraeus hat kürzlich den ersten Corporate Culture Award in Deutschland gewonnen. Hat das etwas mit Ihnen zu tun? Morgen: Ja. Heraeus haben den Preis auf Basis dessen erhalten, dass sie ihren Mitarbeitern mit unserem Tool die Möglichkeit gegeben haben, Kollegen weiterzubilden. Das sind dort Arbeiter, die andere Arbeiter damit schulen. Sie haben dafür das notwendige Werkzeug erhalten und erklärt bekommen, wie sie damit agieren können. Da muss man sich nicht großartig um die Technik kümmern, denn das System übernimmt das. Nur die Inhalte müssen erstellt werden. Schulungen werden erarbeitet und an die Kollegen weitergeleitet. Damit spart man als Unternehmen Arbeitszeit und gibt den Mitarbeitern zudem die Möglichkeit, sich die Inhalte so oft anzuschauen, bis sie alles verstanden haben. Die Informationen sind jederzeit abrufbar. Das steigert die Zufriedenheit und Durchdringung des Unternehmens mit Wissen, denn selbst Kleinigkeiten, die ein Vorgesetzter in mehreren Einzelgesprächen vielleicht dem dritten oder vierten Mitarbeiter zu erzählen vergessen würde, sind gespeichert und reproduzierbar. Im Wissensmanagement ermöglichen wir das Wissen zu aktualisieren. Dabei werden auch die Prozesse erfasst, damit sichergestellt wird, dass der Mitarbeiter wirklich gesicherte Informationen erhält. Wir haben eine semantische Volltextsuche eingebaut, die alles findet, was im System abgelegt wurde. Man kann es sich wie ein Spinnennetz vorstellen. Das Wissen hängt zusammen, und unser System versteht es. Wenn man also nach einem Wort sucht, muss in dem Text gar nicht genau dieses Wort stehen, sondern es genügt zum Beispiel eine Umschreibung. Das System erkennt diesen Text trotzdem als relevant.   Und was passiert, wenn es zu einer Frage noch gar keinen Eintrag im System gibt? Morgen: Wenn zu einem Thema noch nichts angelegt ist, bietet unser System mehrere Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel nach einem Kollegen suchen, der sich damit auskennt. Es werden auch Schulungen zu dem Thema angeboten, die den Suchenden dazu qualifizieren, sich anschließend die Frage selbst zu beantworten. Zudem können wir ihm einen Diskussionsraum anbieten, in dem er sich mit anderen zu seinem Anliegen austauschen kann. Aus so einer Diskussionsrunde, in der eine Lösung gefunden wird, kann derjenige dann auch gesichertes Wissen ins System eingeben.   Wie nutzen die Gewinner des Corporate Culture Awards Ihr Tool? Morgen: Sie erstellen ihre Schulungen selbst. Das kommt bei den Mitarbeitern besser an als teuer zugekaufte oder fremd produzierte Schulungen und ist zudem authentischer. Wenn man etwas von einem Mitarbeiter erklärt bekommt, der so spricht wie man selbst, lernt man schneller. Heraeus haben den Preis im Bereich Digitalisierung erhalten.   Wie sind Sie auf die Idee gekommen, TUTORize zu gründen? Morgen: Im Grunde geht das auf meine Zeit in den USA zurück. Ich hatte in Deutschland studiert und ein Stipendium in den USA erhalten. Dort kam ich in Kontakt mit einem Lern-Managementsystem, das auch ein wenig als Wissensmanagementsystem verwendet wurde, aber niemanden wirklich zufriedenstellte. Ich verwendete es als Student und Dozent, da ich an der Hochschule auch unterrichtete. Das war mühselig und von der Bedienung katastrophal. So kam es, dass ich mit zwei Gleichgesinnten ein Start-up gründete, um bessere Software zu entwickeln. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir Finanzmittel eingeworben und hätten loslegen können, doch peinlicherweise bekam ich kalte Füße. Ich hatte bis dato fast nur studiert, ein wenig bei der NATO gearbeitet, einige Praktika absolviert und glaubte daher noch nicht genug Berufserfahrung zu haben, um ein Unternehmen leiten zu können. Ohne mich wollten es die beiden anderen auch nicht machen. Ich kam zurück nach Deutschland und arbeitete über sieben Jahre als Entwicklungsleiter bei CompuGroup Medical, doch meine ursprüngliche Idee ließ mich nicht los. Daher gründete ich 2011 mit zwei meiner Kollegen TUTORize. Sie haben eine verantwortungsvolle Position aufgegeben, um ein eigenes Unternehmen zu gründen? Morgen: Ja, das ging mit Gehaltseinbußen und einem ziemlich hohen Risiko einher. Wir waren einige Zeit defizitär, während wir die Software aufbauten. Zum Glück liegt das inzwischen weit hinter uns.   Warum haben Sie es trotzdem getan? Morgen: Bei den Jobs, die ich davor hatte, wurde mir stets ein Rahmen vorgegeben, aber ich wollte mal meine Idee komplett umsetzen, ohne mich an derartige Grenzen halten zu müssen.   Viele haben eine Idee, trauen sich aber dennoch nicht, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Morgen: Ich habe ein gutes Beispiel dafür in meiner Familie und habe vielleicht deshalb den Mut aufgebracht. Mein Großvater war technischer Leiter bei einem Fußbodenhersteller und hatte in den 70ern in seiner Freizeit unter anderem einen Motor entwickelt, der wesentlich weniger mechanische Teile enthielt als es damals üblich war. Damit fuhr er zu mehreren deutschen Pkw-Herstellern, um seine Erfindung zu zeigen. Diese schickten ihn weg, weil er nur ein Modell und keinen richtigen Prototypen mitgebracht hatte und die Firmen weder Zeit noch Geld darin investieren wollten. Im Grunde hätte er damals ein eigenes Unternehmen gründen müssen. Doch als Familienvater wollte er nichts riskieren und legte seine Erfindung ad acta. Das bereute mein Opa Zeit seines Lebens und war daher einer meiner größten Fürsprecher, als ich überlegte, mich selbstständig zu machen. Ich bin der erste Unternehmer in der Familie.   Wie ist TUTORize ins TZK gekommen, und wie ist es hier zu arbeiten? Morgen: Als ich mich nach möglichen Standorten für unser Unternehmen umgesehen habe, fiel mir das TZK auf. Witzigerweise hatte ich zuvor in dem Gebäude der CompuGroup Medical gearbeitet, in dem sich einst das TZK befunden hatte. Wir informierten uns entsprechend und sind nun hier. Daraus ergeben sich sehr viele Vorteile. Zum Beispiel kann man schnell mal ein zusätzliches Büro anmieten und bleibt damit flexibel, wenn weiteres Personal eingestellt werden muss. Inzwischen haben wir vier recht große Büros. Zwei Start-ups sind mittlerweile aus uns hervorgegangen und befinden sich ebenfalls hier im Haus.   Ist es nicht hart, wenn einen gute Mitarbeiter verlassen, um selbst ein Start-up zu gründen? Morgen: Durchaus, aber wie könnte ich jemandem für etwas böse sein, das ich genauso gemacht hätte? Sie haben eine Chance gesehen und diese genutzt.   Spricht das nicht auch für TUTORize? Morgen: Ja, wir bieten eine gute Ausbildung. Wer bei uns lernt, verfügt nachher über Rüstzeug, das ihn oder sie begehrt macht. Natürlich tun wir das in erster Linie, um selbst gut ausgebildete Mitarbeiter zu haben. (lacht) Doch das macht diejenigen nunmal auch für andere interessant.   Sie haben aktuell mehrere offene Stellen. Was muss man mitbringen, um bei Ihnen anzufangen? Morgen: Stimmt, wir haben insgesamt fünf offene Stellen. Davon suchen wir zwei Entwickler, aber wenn sich drei passende finden lassen, nehmen wir auch drei. (lacht) Es gibt auch freie Stellen im Support und im Vertrieb. Am wichtigsten ist uns, dass der- oder diejenige Spaß an der Arbeit hat. Wir haben im Laufe der Jahre nämlich festgestellt, dass häufig diejenigen, die ohne beeindruckende Vorkenntnisse bei uns anfingen, aber großes Interesse an der Sache hatten, recht schnell diejenigen überholten, die mit wesentlich mehr Erfahrungen gestartet waren.   Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Morgen: Wir möchten gerne bekannter werden. Denn regelmäßig sagen uns Kunden: “Eure Software ist überragend, warum haben wir nicht schon früher von Euch gehört?”   Vielen Dank für das Gespräch, Herr Morgen.