Das TechnologieZentrum Koblenz (TZK) ist eine Mitgliedschaft im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) eingegangen. Welche Überlegungen stecken dahinter? Und was bedeutet das für den Wirtschaftsstandort Koblenz samt Region? Sarah Walenta (BVMW Mittelrhein), Jan Hagge (Geschäftsführer des TZK) und Thiemo Komischke (Startup-Gründer und Investor) setzten sich an einen Tisch zusammen, um über die Bedürfnisse der Unternehmen unserer Region und die Kooperation zwischen BVMW und TZK zu diskutieren.

Auf den hohen Stühlen am beliebtesten Tisch des Gebäudes machen es sich vier Personen gemütlich. Von Kaffeeduft umhüllt und Plätzchen knabbernd plaudern sie ein wenig. Dann geht die Aufzeichnung ihres Gesprächs los.
Herzlich willkommen im Coworking Space des TZK. Bitte stellt Euch der Reihe nach kurz vor.
Sarah: “Sarah Walenta, ich bin Leiterin im BVMW und seit 6 Jahren zuständig für die Region Mittelrhein. Ich habe zudem eine eigene Firma, die communita GmbH, und habe einige unternehmerische Erfahrungen sammeln dürfen.”
Jan: “Ich heiße Jan Hagge und bin Geschäftsführer der TechnologieZentrum Koblenz GmbH, kurz TZK. Das TZK ist das Gründerzentrum für technologische und innovative Start-ups und Gründungen in der Region Koblenz. Ich bin außerdem Prokurist der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Koblenz mbH. Unser Ziel ist es, Unternehmen die passenden Rahmenbedingungen zu bieten und Kontakte zu vermitteln.“
Thiemo: “Ich bin Thiemo Komischke, habe 2016 mein Startup Picologic GmbH gegründet. Wir entwickeln eine Kooperationsplattform für Steuerberater und Mandanten. Parallel dazu haben wir die ECK.ventures GmbH gegründet – mit dem Ziel, die Startups in der Region zu fördern und Investments für die Startups bereitzustellen. Ich bin einer der Geschäftsführer.”
Das heißt, Ihr seid Startup und Förderer zugleich.
Thiemo: “Das passt ja auch gut zusammen, weil man als Startup selbst merkt, was fehlt. Wenn die Infrastruktur nicht da ist, muss man sie entweder selbst aufbauen oder ohne sie klarkommen. Wir haben uns mit mehreren Startups zusammengetan und die Eck.Ventures gegründet, weil wir es uns zutrauen, Dinge zu bewirken.”
Sowohl Picologic als auch ECK.ventures befindet sich im TZK?
Thiemo: “Beide sind im TZK, richtig.”
Jan Hagge, warum ist das TZK Mitglied im BVMW geworden?
Jan: “Dafür gibt es zwei Gründe. Der eine ist, dass wir uns gerne selbst vernetzen möchten mit einer guten, breiten Plattform wie es der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft schon hier in der Region hat. Der BVMW bietet sehr viele Veranstaltungsformate und hat eine super Reichweite auch über die Koblenzer Stadtgrenze hinaus – was ich ganz wichtig finde, denn das bildet die regionale Identität von Koblenz auch ab. Koblenz ist eine Stadt, die stark mit der Region verwoben ist und das wird über den Bundesverband genau so dargestellt. Von daher ist es für uns interessant, selbst auch mehr Reichweite zu entwickeln. Auf der anderen Seite ist es auch für die Unternehmen wichtig, die hier im TechnologieZentrum ihren Sitz haben und von uns gefördert werden, dass sie darüber auch einen Zugang zu Netzwerken und anderen Unternehmen erhalten können.”
Was bedeutet die Mitgliedschaft des TZK im BVMW für die einzelnen Startups konkret? Welche Vorteile haben sie?
Jan: “Gerade hier im TZK sind die meisten Startups im B2B-Bereich unterwegs, das heißt im Geschäftskundenbereich. Für Startups ist es immer erstmal ein sehr schwieriges Feld, wenn man noch keine eigenen Referenzen vorweisen kann. Wie knüpft man dann Kontakte zu Geschäftspartnern? Ihre Ressourcen sind knapp. Sie können nicht alle Prozesse und Themen selbst abbilden, sondern müssen sich verpartnern mit anderen, um Dinge gemeinsam bewegen zu können. Deshalb ist es wichtig, möglichst schnell in etablierte Strukturen reinzukommen, um Zugriff auf ein großes Netzwerk zu haben, um Suchkosten, Zeit, Geld zu sparen und möglichst schnell einen ordentlichen Start hinzulegen. Außerdem muss man seine Zielgruppe kennen, um die eigenen Produkte und Leistungen genau passend zu entwickeln. Hier bieten Netzwerke wie der BVMW gerade B2B Geschäftsmodellen besondere Möglichkeiten – ohne gleich konkrete Vertriebsabsichten zu haben.”
In dem Fall sparen die Startups die Kosten für die Mitgliedschaft im BVMW?
Jan: “Genau. Wir haben das dankenswerterweise ausgehandelt. Es ist vereinbart, dass Unternehmen aus dem TZK zunächst eine dreimonatige Möglichkeit haben, kostenfrei die Strukturen des BVMW zu nutzen. In dieser Zeit können sie feststellen, ob ihnen das einen Mehrwert bringt und sich dann überlegen, ob sie eine feste Mitgliedschaft eingehen möchten.”
Sarah: “Dazu muss man sagen, dass der Verband natürlich so seine Strukturen hat und wir nicht gegen die Satzung verstoßen dürfen. Wir haben es so gemacht, dass wir die Unternehmen anschreiben, damit sie Bescheid wissen. Sie kommen in den Verteiler rein, sind eingetragen und können testen, ob ihnen das etwas bringt. Unabhängig davon haben wir eine Startup- und Gründer-Beitragsordnung. Deren Beiträge sind daher ohnehin reduziert, so dass nach den drei kostenlosen Monaten die Mitgliedschaft trotzdem bezahlbar ist.”
Warum ist das TZK interessant für den BVMW?
Sarah: “Da gibt es mehrere Anhaltspunkte. Wir sind schon viele Mitgliedsbetriebe, aber ich denke, das TZK ist interessant als Kooperationspartner – insbesondere wenn es um Veranstaltungen für Startups geht. Zum einen bietet es sich sehr gut als Veranstaltungsort an, zum anderen ermöglicht es, schneller Informationen an die Startups weiterzugeben. Das würden wir in dieser Geschwindigkeit nicht schaffen. Wir möchten möglichst früh einen Draht zu den Unternehmen haben, um gemeinsam gestalten zu können und damit sie später in Koblenz und der Region ein Zuhause finden und nicht abwandern. Im TZK dürfen die Startups ja nur wenige Jahre bleiben.”
Jan: “Bis zu acht Jahre.”
Sarah: “Genau. Und wir möchten, dass sie dann weiterhin gut betreut und vernetzt sind, damit sie sich an diesem Wirtschaftsstandort festigen können und vielleicht auch schon Kooperationspartner hier in der Nähe haben.”
Thiemo: “Eine große Schwierigkeit ist, dass die Firmen der Region sehr vorsichtig mit jungen Unternehmen, mit Startups, umgehen. Da herrscht Kontaktscheue, und der BVMW kann da als Mittler rein, weil der Verband bereits das Vertrauen der Unternehmen hat. Er kann also beide an die Hand nehmen und sagen: >Guckt euch mal an, wollt ihr nicht ein Projekt zusammen machen?< Nur etwas Kleines zunächst. Denn oft wird sofort an ein großes Ding gedacht, aber es ist viel sinnvoller an einem kleinen Projekt zu schauen, ob es miteinander funktioniert. Viele Unternehmen denken, Startups würden eine Menge Arbeit bedeuten, man müsste sich an ihnen beteiligen und noch Geld auftreiben. Doch oft ist Startups schon geholfen, wenn sie ein Projekt bei einem Industrieunternehmen platzieren können. Beide lernen davon.”
Bis jetzt wurde im Gespräch der Fokus darauf gelegt, was gut für die Startups wäre, aber können umgekehrt die Startups nicht auch Expertenwissen an die etablierten Unternehmen weitergeben?
Sarah: “Klar, logisch. Es gibt ein Unternehmen, das im Bereich VR unterwegs ist und das haben wir beispielsweise mit Björnsen – beratenden Ingenieuren – zusammengebracht. Ich bin zudem bei den Business Angels Rheinland-Pfalz aktiv. Als ich sie beim Pitchen gesehen habe, musste ich an Björnsen denken und habe dementsprechend den Kontakt hergestellt. Als BVMW sind wir die Brücke zu den Betrieben, was sie dann daraus machen, hängt von ihnen selbst ab. Thiemo hat aber auch ein gutes Beispiel dafür.”
Thiemo: “Ja, ich arbeite seit zwei Jahren mit der Dornbach Gruppe zusammen und wir etablieren darüber neue Möglichkeiten, wie Lohnabrechnung, Buchhaltung und Steuererklärungen funktionieren, wie Kundenberatung funktioniert. Einerseits bekomme ich Wissen über steuerliche Themen und andererseits kann ich meine Expertise im Bereich Software-Entwicklung und agile Prozesse dort einbringen. Die größte Schwierigkeit ist, diesen Tanker zu bewegen. Die Mitarbeiter kennen Startups nicht – denken, dass sich alles verändern wird, wenn man ein Startup ins Unternehmen reinlässt. Teilweise sind das Ängste vor Jobverlust. Das bedeutet, man stößt auf viele Hürden. Umgekehrt ist es manchmal aber auch schwierig, wenn das Unternehmen bestimmte Sachen vom Startup fordert und sich wundert, dass dieses keine zehn Mitarbeiter hat, die gerade mal schnell etwas erledigen können. Da muss man auf Tuchfühlung gehen. Genau dabei kann der BVMW vermitteln, indem er an Gesprächen teilnimmt und sie gegebenenfalls auch moderiert. Das ist eine gute Hilfe.”
Muss man am Image der Startups arbeiten?
Thiemo: “Ich denke, das ist nicht das Image. Das Unternehmen muss sich eingestehen, dass es in bestimmten Bereich Schwächen hat. Es ist natürlich dumm, wenn ein kleines Startup herkommt, das es vielleicht erst seit zwei Monaten gibt, und dann Großunternehmen erzählt, was sie alles falsch machen. Eine sehr schwierige Situation, denn das Unternehmen wurde über Jahre aufgebaut und nun soll all das in etwa drei Jahren abgebaut und durch etwas Neues ersetzt werden? Da sind Betriebe noch nicht mutig genug zu sagen: >Ja, wir müssen neue Geschäftsfelder entwickeln und das erreichen wir nur durch externe Fachleute, die wir reinziehen.< So etwas klappt mit Startups besonders gut. Die Skepsis liegt am eigenen Innovationswillen, der in vielen Großunternehmen noch nicht wirklich vorhanden ist.”
Sarah: “Fest eingefahrene Sachen werden ungern aufgelöst. Startups haben oft einen ganz eigenen Elan, mit dem die alteingesessenen Betriebe nicht so gut klarkommen. Da spielt auch die Kommunikationsebene eine große Rolle. Die Jungunternehmer werfen gerne mit neuen Begriffen um sich. Man muss mit mehr Fingerspitzengefühl an die Sache herangehen. Und wenn man sich darauf einlässt, kann es ein sehr fruchtbarer Weg sein.”
Bietet der BVMW nicht auch Expertenrunden?
Sarah: “Ja, das auch. Dort ist jeder willkommen, der sich engagieren und etwas dazu beitragen möchte – ganz egal, ob KMU, Startup oder was auch immer für ein Unternehmen.”
Jan: “Ich denke, das ist auch einer der Punkte, die diese Probemitgliedschaft mit sich bringt. Man sitzt dann nicht nur als passiver Zuhörer in den Veranstaltungen des BVMW, sondern soll in der Zeit auch aktiv mitwirken und mitgestalten können, wie ein Vollmitglied. Auf diese Weise hat man auch die Möglichkeit, mit anderen Unternehmen in Kontakt zu kommen. Den etablierten Unternehmen vereinfacht es den Zugang zu Startups, was zum Beispiel die Transaktionskosten senkt. Das ist ein Vorteil des Netzwerkens. Zusätzlich ist das auch ein Thema für die Region. Denn wir haben hier viele kompetente Leute. Diese Begegnungen müssen aber möglichst niederschwellig angeboten werden.”
Ist das nicht der Trend, dass sich etablierte Unternehmen zunehmend von jüngeren beraten lassen möchten? Es werden auch hausinterne Startups gegründet, wie zum Beispiel das Debeka Innovation Center (DICE).
Thiemo: “Ja, aber das läuft dann häufig anders ab als zunächst gedacht. Anfangs gelten diese hausinternen Startups als aufgeschlossen und kooperativ, aber dann ziehen sie sich doch in ihr Unternehmen zurück. Sie denken: >Jetzt haben wir etwas gelernt, wollen uns aber nicht in die Karten gucken lassen.< Da müssen wir Formate finden, damit Unternehmen zum Beispiel einen Workshop zusammen mit einem Startup machen. Der BVMW kann das bindende Glied sein, damit es zu Kooperationen kommt.”
Jan: “Wenn eine Sache den deutschen Mittelstand auszeichnet, dann dass er eine hohe Innovationskraft hat. Bisher war vermutlich der größte Teil dieser Innovationskraft innerhalb der Unternehmen selbst geschaffen worden. Doch wenn man so große, externe Themen nimmt, wie die Digitalisierung zum Beispiel, die alle Wirtschaftsbereiche irgendwo betrifft, dann kann diese eigene, interne Innovationskraft an ihre Grenzen stoßen. Es ist daher gut mit Partnern zusammenzuarbeiten, die ja aus diesen Digitalisierungsthemen überhaupt erst ihre eigene Gründungsstory entwickelt haben. Das ist deren DNA. Wenn man das zusammenbringt, lassen sich daraus neue innovative Potenziale nutzbar machen.”
Wie stellt Ihr Euch Eure gemeinsame Zukunft vor? Was sind Eure Ziele?
Sarah: “Die Zukunft ist in jedem Fall, dass wir hier eine gewisse Aktivität erschaffen – zum Beispiel in Form von Matching-Events. Die etablierten Unternehmen mit den Startups zusammenzubringen zählt zu unseren Zielen. Vielleicht auch durch gemeinsame Workshop-Reihen. Es geht darum, gemeinschaftliche Projekte zu fördern und eventuell auch auszuschreiben. Wir versuchen das bereits auf der Basis mit den Hochschulen zusammen, dass wir zum Beispiel einzelne Betriebe ans Thema Projektarbeiten, Masterarbeiten heranführen, damit sie langsam den Kontakt zu jüngeren Menschen aufnehmen. Das mag seltsam klingen, aber es gibt tatsächlich Betriebe hier in der Region, die überhaupt nicht mehr ausbilden oder Kontakte zur Wissenschaft haben. Daher sind Projekte mit den Jungunternehmen besonders sinnvoll.”
Thiemo: “Ich denke, man muss den Informationsfluss verbessern. Von vielen Startups weiß man nicht so richtig, was sie überhaupt machen. In der Region gibt es viele Hidden Champions, die man nicht einmal vom Namen kennt. Dann erfährt man zufällig von einem und denkt sich: >Hey, das würde doch gut zu uns passen!< Wir müssten also eine Datenbank aufbauen, die verschlagwortet ist. Und wenn ich dann denke, ich brauche ein Unternehmen, das im Bereich VR unterwegs ist, dann schaue ich dort nach und bekomme direkt die entsprechenden Unternehmen mit den Kontaktdaten der Innovationsansprechpartner ausgegeben. Denn für ein Startup ist es nahezu unmöglich durch die Vordertür hereinzukommen. Wo soll man anrufen? Unten nützt es nichts und den Chef erreicht man nicht. Man muss immer proaktiv nachfragen, wer die Innovationspartner im Unternehmen sind. Das ist die Idee für den BVMW: Fragt in den Unternehmen, wer bei ihnen jeweils für die Innovationen zuständig ist. Und genauso macht man das bei den Startups und verschlagwortet sie. Über eine Plattform können sich die beiden dann miteinander verbinden. Das wäre eine gute Lösung. Denn die Region ist viel zu groß, als das man alles mitbekommen könnte.”
Sarah: “Insbesondere, wenn es um die Landkreise geht. In Koblenz kennt man sich, aber wenn man in den Landkreisen unterwegs ist, stellt man fest, dass die Unternehmen dort kaum etwas von Koblenz mitkriegen. Da fehlt sogar der Kontakt zu den Hochschulen. Das ist somit unsere Aufgabe. Eine Mammutaufgabe.”
Jan: “Unser Anspruch ist, den Startups nicht nur Räumlichkeiten zu bieten, sondern sie auch auf ihrem Weg zu unterstützen. Für ein Gründungsunternehmen ist dieser Standort außerhalb des TZK-Gebäudes nicht zu Ende. Unser Wirken geht über gut ausgestattete Büros hinaus. Startups benötigen Marktnähe zu Unternehmen und Kooperationen – wie zum Beispiel mit der Uni. Damit machen wir bereits gute Erfahrungen. Für neue Unternehmen ist es wichtig, ihre Dienstleistungen und Produkte an den Kundenbedürfnissen zu entwickeln. Denn die meisten Startups hier bewegen sich im B2B-Bereich. Diesen schnellen Zugang zu den potenziellen Kunden und Partnern erhoffen wir uns vom BVMW.”