Interview: IT-Berater Julien Gödicke arbeitet bei Fujitsu und ist Coworker im TZK

Wie versprochen möchten wir Ihnen peu à peu unsere Coworker vorstellen, also die Menschen, die unser Coworking Space als Büro nutzen. Diesmal ist es Julien Gödicke.

Julien Gödicke sitzt im Sessel der Sofaecke im Coworking Space.
Julien Gödicke in der Sofaecke im Coworking Space.

Herr Gödicke, wer sind Sie und was machen Sie beruflich?

Mein Name ist Julien Gödicke, ich bin 31 Jahre alt und wohne seit etwa 5 Jahren in Koblenz. Ich habe hier studiert und bin strategischer Berater bei Fujitsu. Speziell berate ich den öffentlichen Sektor in strategischen IT-Fragen. Dabei geht es zum Beispiel um Fragestellungen wie: Was benötige ich, um das Programm XY einzuführen? Welche Grundlagen müssen dafür geschaffen werden?

Wie sind Sie zu Fujitsu gekommen? Spielen Netzwerke in Ihrer Branche eine Rolle?

IT-Berater sind sehr gefragt und in meinem Segment, also im öffentlichen Sektor, sehr rar. Als Netzwerk spielt insbesondere Xing eine große Rolle. Ich weiß, dass es in anderen Bereichen LinkedIn ist, aber bei uns eher Xing. Ich bekomme viele Anfragen, auch von Konzernen wie Microsoft. So war das auch mit Fujitsu. Sie kontaktierten mich. 

Wie lange sind Sie schon bei Fujitsu?

Seit Oktober 2018. Davor war ich in anderen Unternehmen ebenfalls in der Beratung tätig. Dort war ich insbesondere für die E-Akte zuständig. Die Behörden hatten den Auftrag erhalten sich bis 2020 zu digitalisieren. Alle Akten sollten bis dahin elektronisch vorliegen. Leider haben sie das nicht geschafft.

Und Sie haben die Einführung der E-Akte begleitet?

Ja, in Rheinland-Pfalz und in Thüringen. Dabei ging es nicht nur um Beratung, sondern auch ums Operative. Welche Dokumente kommen per Post an, und wie geht man dann am besten Schritt für Schritt damit um, bis sie beim Sachbearbeiter landen. Es ging um die Arbeitswege.

Das bedeutet, Sie haben sehr viel mit Behörden zu tun.

Auschließlich mit Behörden. Das habe ich gelernt. Ursprünglich bin ich Brandenburger und habe mich in Berlin zum Kaufmann für Bürokommunikation ausbilden lassen. Man kann das als Sekretär für Verwaltung bezeichnen. Anschließend habe ich noch ein halbes Jahr im Schulamt gearbeitet und danach in Sachsen-Anhalt Electronic Government studiert. Nach dem Bachelor habe ich ein Jahr für ein Unternehmen im Bereich E-Akte gearbeitet und bin schließlich zum Masterstudiengang nach Koblenz gekommen.

Warum war die Koblenzer Universität interessant für Sie?

Den Masterstudiengang im E-Government gibt es nur hier. Außerdem ist Frau Prof. Dr. Wimmer eine Koryphäe auf diesem Gebiet, deshalb wollte ich bei ihr studieren. Koblenz habe ich mir vorher gar nicht angeschaut, sondern bin quasi blind einfach hierhergezogen. Aber hier gefällt es mir. Übrigens: Witzigerweise bin ich seit Jahren immer noch der vierte Absolvent in diesem Studiengang. Da merkt man, wie schwer es ist an Leute in diesem Bereich zu kommen, wenn es so wenige Absolventen gibt. 

Wie sieht Ihr Aufgabenbereich aus?

Das ist nicht Verwaltungsinformatik, wie man eventuell annehmen könnte, sondern eher die Schnittstelle. Ich bin der Vermittler zwischen ITlern und den Leuten in den Behörden.

Das klingt hart. ITler sind ein eigenes Völkchen und Verwaltungsmitarbeiter sind vermutlich ein krasser Gegensatz dazu.

Ja, deswegen werde ich nicht beneidet um meinen Job. (lacht) Aber ich mache das mit Herzblut, mir macht das Spaß. Verwaltung habe ich nie als trocken wahrgenommen. Vielmehr machte es mich in gewisser Weise stolz, für die Verwaltung zu arbeiten. Daher ist es schön, weiterhin damit zu tun zu haben. Allerdings haben wir Probleme an Nachwuchs zu kommen.

Recruiting scheint in allen Bereichen problematisch zu sein.

Bei uns aber vermutlich ganz besonders, weil Verwaltung als ein trockenes Thema wahrgenommen wird. Die meisten haben keine Lust auf Behörden.

Haben Sie den Eindruck, dass sich in den Behörden etwas in Richtung Fortschritt bewegt?

Nein, es wird immer behauptet, wir hinken 30 Jahre hinterher. Das halte ich jedoch für übertrieben. Es sind eher 10 oder 15 Jahre. Wir sprechen über Themen, die für Unternehmen gar nicht mehr interessant sind. Zukunftsthemen wie KI und Cloud werden zwar thematisiert, aber nirgends angewendet. Ab und an wird etwas ausprobiert und geschaut, ob es Sinn macht. Beim Bund wurde jetzt erst eine KI-Strategie entwickelt, die Umsetzung oder Lösungen hat niemand.

Fujitsu ist ein Hardware-Hersteller, wie kommt es, dass Sie als Berater für Behörden tätig sind?

Wir haben Hochleistungsrechner und Quantencomputer, dadurch ergeben sich diverse Themen und Kooperationen in Verbindung mit anderen Projekten. Bei Fujitsu gibt es die Abteilung “Strategische Unternehmensberatung”, die sich in drei Teams unterteilt: Smart City, Education und Public Sector Consulting. Ich bin Teil des Beraterteams im öffentlichen Sektor. Wir beraten aber auch intern. Wenn ein Vertriebler ein Fachthema hat, das er nicht kennt, kommt er zu mir und fragt: “Julien, was sagst du jetzt dazu? Kannst du mir mal fachlich weiterhelfen?” Und nach außen funktioniert das ähnlich, es geht in Richtung Coaching. Ich helfe zum Beispiel auch Menschen, sich als IT-Leiter beim Vorgesetzten durchzusetzen.

Das sind alles Dinge, die man üblicherweise nicht mit Fujitsu in Verbindung bringt.

Fujitsu hat etwas Wesentliches erkannt: Beratung und Service sind entscheidend. Auch Kunden sind manchmal erstaunt und sagen: “Mein Bildschirm ist von Fujitsu, aber dass Sie auch beraten, wusste ich gar nicht.”

Können Sie ein Beispiel für so einen Auftrag nennen?

Man muss zwischen den Bereichen unterscheiden. Ich habe auch Aufgaben im operativen Bereich. Zum Beispiel begleite ich aktuell die Justiz in Dresden bei der Einführung der Spracherkennung. Richter sprechen üblicherweise viel in ihr Diktiergerät und geben es an ihre Schreibkräfte weiter. Diese tippen es ab, geben es dem Richter zurück und er korrigiert die Texte dann noch ein wenig. Diesen Prozess versucht man digital abzubilden. Der Richter diktiert etwas und stellt das Gerät auf eine Dockingstation. Dann geht ein Spracherkennungsprogramm drüber und schreibt den Text vor. Es übernimmt also die Aufgabe der Schreibkraft. Das ist die Variante mit Servern und Spracherkennung. Zusätzlich gibt es die Online-Spracherkennung. Da spricht man ins Mikrofon rein und sieht, wie der Text automatisch auf dem Bildschirm erscheint. In dem Fall spielt KI eine gewisse Rolle, weil es noch weitere Zusatzfunktionen gibt.

Sie zeigen den Richtern demnach, wie was funktioniert und sich einsetzen lässt.

Ich mache eine Anforderungserhebung. Das bedeutet, ich gehe zu Richtern – die haben jeweils etwa acht Geschäftsbereiche: Soziales, Strafrecht, etc. Hierfür habe ich einen Fragebogen ausgearbeitet und führe Interviews mit den Richtern durch. Aus den Gesprächen entstehen Anforderungen und daraus ein Anforderungskatalog. Zusätzlich unterstütze ich diejenigen bei Stellenausschreibungen, indem ich Leistungsanforderungen formuliere. Solche Aufgaben hatte ich bereits lange vor der beratenden Tätigkeit.

Wie kommt es zu solchen Projekten?

Dazu kam es weil das Justizministerium ein Rechenzentrum und die Infrastruktur von uns hat. Unsere Vertriebler sind häufig Trusted Advisors, also Vertrauenspersonen unserer Kunden. So kommt man von einem Thema zum nächsten. Auch ich bin ein Türöffner. Das heißt, ich bearbeite ein Thema, beschränke mich aber nicht darauf. In anderen Unternehmen habe ich das bisher so noch nicht erlebt. Dort war man als Mitarbeiter und Berater stets wie ein Sachbearbeiter. Man bekam eine Aufgabe und erledigte sie, mehr nicht. Bei Fujitsu denken wir mit und engagieren uns auch darüber hinaus, als Querdenker. 

Was ist der Bonus für Sie an diesem Job?

Die Freiheit. Ich darf nicht nur frei denken, sondern mir auch die Zeit frei einteilen. Niemand überwacht oder kontrolliert mich. Wenn ich morgens zwei Stunden länger schlafe, arbeite ich am Abend dafür zwei Stunden länger. Im Angestelltenverhältnis ist das keine Selbverständlichkeit. Ich finde das toll.

Und Sie kommen viel rum, richtig?

Ja. Wir Berater verfügen über Dienstfahrzeuge, und ich fahre viel zu Kunden. Da ist es wiederum so, dass ich vorgegeben bekomme, wann ich bei welchem Kunden sein muss. Wenn ich nächste Woche Montag in Hamburg sein soll, dann muss ich dorthin. Es richtet sich nach dem Kunden.

Wie oft sind Sie hier im CoWorking Space?

Das ist unterschiedlich, aber üblicherweise bin ich zwei Tage pro Woche weg und ansonsten hier. Im Schnitt, denn es gibt auch Wochen, die ich komplett hier im TZK verbringe.

Sind Sie in ganz Deutschland unterwegs?

Ja, aber überwiegend in Ostdeutschland. Dresden, Erfurt und auch Berlin beispielsweise. Ich versuche das mit Privatem zu verbinden, da meine Familie in Brandenburg lebt. Somit bin ich etwa einmal pro Monat bei meiner Familie, und die berufliche Fahrerei ist nicht dramatisch. Wenn man etwas erreichen und jemand werden will, sollte man sich bewusst machen, dass das meistens mit viel Fahrerei und zahlreichen Reisen verbunden ist.

Dennoch arbeiten Sie von Koblenz aus.

Vieles läuft digital ab, zum Beispiel über Skype. Ich muss nicht wegen jeder Kleinigkeit lange Strecken fahren.

Sie könnten doch auch von Berlin aus arbeiten.

Meine Freundin und mein Freundeskreis sind hier. Auch meine Freunde aus Berlin leben inzwischen längst woanders. Mit einigen von ihnen treffe ich mich zwei oder dreimal pro Jahr irgendwo in Deutschland.

Wie sind Sie im TZK gelandet?

Zu Hause fiel mir die Decke auf den Kopf. Homeoffice ist nicht immer cool. Viele denken, es sei toll in Jogginghose zu arbeiten, aber mir gefiel das nicht. Jeden Tag saß ich am Glastisch im Wohnzimmer. Es gab Tage, an denen ich gar nicht rausgegangen bin. Ich hatte ja gar keinen Grund dafür. Essen war noch da, die Arbeit lag vor mir, fertig. Irgendwann schlug mir das auf die Seele, mir fehlten Menschen zum Reden. Außerdem fehlt einem der Tagesrhythmus, wenn man nicht zum Arbeiten raus muss. Deshalb habe ich nach einer Möglichkeit gesucht und von zwei Freunden, die im TZK arbeiten, vom Coworking Space erfahren. Die Büros sind schön. Mir gefällt es hier, man hat alles, was man braucht.

Und was sagen Sie als Brandenburger zu Koblenz?

Es war die richtige Entscheidung, hierher zu kommen. Ich glaube, Leute, die von hier kommen, sehen einiges kritisch, aber mir gefällt es hier sehr. Desöfteren werde ich gefragt, warum ich nicht lieber in Berlin leben möchte. Warum sollte ich? Berlin ist mir viel zu groß. Je älter ich werde, desto weniger Lust habe ich auf Berlin. Für mich ist die Hauptstadt eine Insel, es ist ein eigenes Volk dort. Wenn ich überhaupt zurückgegangen wäre, dann nach Potsdam. Doch Koblenz ist ein schönes Zwischending. Nicht ganz Großstadt, aber auch nicht ganz ländlich. Sehr angenehm. Und Koblenz hat sehr viel Potenzial. Hier sollten noch mehr große Unternehmen Niederlassungen haben. Das sage ich auch unseren Kunden. Der Standort ist top.

Herr Gödicke, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin eine schöne Zeit im TZK.

Link: Julien Gödicke auf Xing.