Wie jung kann ein Unternehmer heute sein? Durch die Digitalisierung ergeben sich völlig neue Möglichkeiten. Die drei jüngsten Koblenzer Gründer sind mit ihren Start-ups im TZK ansässig. Wir trafen die jungen Wilden zum Interview im Coworking Space.v.l.n.r.: Jan (LUMASERV), Lucas (GoContract), Daniel (Sdui)
Vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit für dieses Gespräch genommen habt. Bitte stellt Euch kurz vor und sagt, womit sich Euer jeweiliges Unternehmen befasst.
DANIEL: Mein Name ist Daniel Zacharias, ich bin 21 und habe als 19-jähriger Sdui gegründet. Wir machen Kommunikations- und Organisationssoftware für den Schulsektor, aber auch für den öffentlichen Sektor und Krankenhäuser. Wir helfen den Menschen, die dort arbeiten, schnell und effizient zu kommunizieren und sorgen dafür, dass die Daten rechtzeitig und bei den richtigen Leuten ankommen.
LUCAS: Ich bin Lucas Weiper, 22 Jahre alt und somit der Älteste hier. Seit zwei Jahren bin ich im TZK. Zuerst habe ich als Angestellter eine IT-Agentur mitgeleitet, dann habe ich mich selbstständig gemacht und helfe seit einer Weile bei Daniel (Sdui) im Bereich HR mit. In den nächsten Wochen gründe ich das Unternehmen GoContract. Was wir machen, ist Vertragsmanagement. Wir bieten eine Lösung, die den kompletten Vertragsprozess von der Erstellung bis hin zur Unterschrift beim Kunden oder beim Mitarbeiter betreut, eine ganzheitliche SaaS-Lösung.
JAN: Mein Name ist Jan Waldecker, ich bin 20 Jahre alt und habe mit 16 das Unternehmen LUMASERV gegründet. Wir haben uns auf die Erbringung von verschiedenen IT-Dienstleistungen spezialisiert, hauptsächlich auf Domains und Serverdienstleistungen. Dabei konzentrieren wir uns darauf, möglichst viele Prozesse automatisch zu gestalten, da der Kunde heute möglichst viel schon selbst und in Echtzeit durchführen und direkt ein Ergebnis haben möchte. Dafür suchen wir den Mittelweg zwischen Automatisierung, damit der Kunde die Prozesse sofort ansteuern kann, und individueller Betreuung. Im Sinne des Kunden, übernehmen wir bestimmte Managementprozesse, die Abbildung von IT-Strukturen.
Kennt Ihr Euch bereits untereinander?
DANIEL: Ich kenne alle.
LUCAS: Nico und wir von GoCotract waren Flurnachbarn. Beim Jan kaufen wir die Serverleistung ein und beim Daniel helfe ich in der HR aus.
DANIEL: Wir kaufen alles bei Jan, also LUMASERV, ein, weil wir wissen, da ist ein Profi am Werk.
Karrierestart: Startup-Weekend
Lucas, Dein Weg hat sich innerhalb des TZK ergeben. Vom Angestellten zum Startup-Gründer. Wie kam das?
LUCAS: Ich komme ursprünglich aus Münster und bin zum Studieren nach Koblenz gekommen. Auch jetzt studiere ich noch Informationsmanagement nebenbei weiter. Aus dem Studium heraus bewarb ich mich hier im TZK und arbeitete schließlich für Albert Hild (Vainplex), der über ein Jahr lang mein Mentor war und von dem ich sehr viel gelernt habe. Doch mich zog schon immer die Vorstellung an, etwas Eigenes aufzubauen. Deshalb bin ich zu vielen Startup-Events hier im TZK gegangen, zum Startup-Weekend und Startup-Slam – im Grunde zu allen Veranstaltungen rund um die Gründerszene.
Hattest Du zu der Zeit bereits eine Idee von Deinem eigenen Start-up?
LUCAS: Ja. Ich hatte schon eine Vorstellung von GoContract. Mit dieser Idee bin ich letztes Jahr beim Startup-Weekend angetreten, habe sie vor den anderen Teilnehmenden gepitcht und dort auch den Großteil meines Teams gefunden. Wir haben mit der Idee den 1. Platz geholt und nahmen später auch am Hackquarter der Debeka teil, den wir ebenfalls gewannen. Aktuell stehen wir kurz vor der Fertigstellung der ersten Testversion unseres Produkts zum Vertragsmanagement.
Teenager und Unternehmer
Jan, Du hast im Alter von 16 Jahren gegründet. Das erfordert Mut.
JAN: Bei mir hat sich das herauskristallisiert, weil ich schon als 14-jähriger gerne programmiert und ziemlich schnell damit Geld verdient habe. Daher machte es Sinn, es etwas offizieller anzugehen. Damals stand noch nicht der Gedanke dahinter, dass man das hochskaliert, Mitarbeiter einstellt und in eigene Büroräume geht. Ich programmierte einfach nur gerne und wollte dafür etwas bekommen. Auch mit anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten war mein Ziel. Deshalb habe ich gegründet. Alles Weitere hat sich ergeben.
Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert, als Du Dich dazu entschlossen hast, so jung zu gründen?
JAN: Ich habe viel Überzeugungsarbeit gebraucht, um meine Eltern für die Idee zu erwärmen, dass ich eine Firma anmelde. Die Botschaft meiner Eltern lautet bis heute: Die Uni steht an erster Stelle. Das schiebe ich gedanklich ein wenig weg. Ich studiere parallel weiterhin, noch in der Regelstudienzeit sogar. Man merkt aber schon, dass das Studium einen aufhält.
Ansonsten wird das in Familie und Umfeld akzeptiert. In der Schule habe ich damals vermieden davon zu erzählen. Als es später einige mitbekamen, stellte sich heraus, dass sie noch nicht so weit waren, das zu verstehen. Sie sahen Dollarscheine und überschätzten die Situation. Ich habe die Dinge nur aus Spaß gemacht, daher stieß ich auf Unverständnis.
Wird man Unternehmer, weil man die Freiheit liebt, oder ist das eine Frage des Elternhauses?
DANIEL: Es ist die Freiheit, die ich bei meinen Eltern gesehen habe. Meine Mutter ist Ärztin mit mehreren Praxen und mein Vater war Geschäftsführer eines Konzerns. Er hatte auch mal ein Start-up, dass verkauft wurde. Ich habe also schon immer ihre Begeisterung für den Beruf gesehen und verstanden, dass sie das tun, weil sie eine Mission haben und sich frei entwickeln können.
JAN: Meine Eltern waren mir schon immer Vorbilder, weil sie gerne zur Arbeit gegangen sind. Mir wurde vorgelebt, dass Arbeit auch Spaß machen muss. Insofern war es für mich kein Hindernis, so jung schon mit dem Arbeiten anzufangen.
DANIEL: Mich treibt die Mission an, und ich kann frei entscheiden. Freiheit darf aber nicht falsch verstanden werden, denn wir arbeiten überdurchschnittlich viel und verdienen bestimmt weniger als andere. Es geht um die Freiheit der Entscheidung und des sich Weiterentwickelns. In welche Richtung wollen wir uns bewegen? Was müssen und wollen wir vielleicht doch anders machen?
Profitiert man davon, junger Gründer zu sein, weil im digitalen Bereich der Jugend mehr Innovationen zugetraut werden?
JAN: Das hat zwei Seiten. Zum einen gibt es genau diese Schwierigkeit, dass man sich beweisen muss. Gerade wir in der Serverbranche konkurrieren mit großen Unternehmen, die mit Teams von 50 Leuten aufwärts ihren Kunden zur Verfügung stehen. Da ist es natürlich entscheidend zu beweisen, was wir als kleines Team besser können als die Großen. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass mit jungen Leuten das Moderne, Innovative assoziiert wird.
Und was hat LUMASERV, was die Großen nicht haben?
JAN: Wir versuchen immer so individuell wie möglich auf jeden Kunden einzugehen. Ich sprach vorhin davon, dass wir die Dinge so automatisch wie möglich machen möchten. Der Kunde hat keine Lust, eine E-Mail zu schreiben, um einen neuen Server zu erhalten. Er möchte nicht zwei Tage darauf warten bis der Server bereitgestellt ist. Kunden gehen auf die Website, geben ein wie viel Speicherplatz sie benötigen, klicken auf Bestellen und haben ihn. Das bieten wir und versuchen dabei individuelle Anforderungen der Kunden abzubilden. Wenn der Kunde eine eigene Infrastruktur mitbringt, schauen wir, wie wir diese besonders gut in unser System integrieren können.
Agilität
Steht man als junger Geschäftsführer automatisch für Agilität?
DANIEL: Nein, nicht unbedingt. Wir sind gewachsen im letzten Jahr, stehen gerade bei 15 Mitarbeitern und merken, dass Prozesse formalisiert werden müssen. Je mehr man wächst, desto mehr braucht man auch Strukturen.
Große Unternehmen nehmen sich aber zunehmend Start-ups zum Vorbild, um beweglicher zu werden.
DANIEL: Es ist wichtig, in den Teams agil und flexibel zu sein. Das sind wir als kleine Unternehmen generell im Vergleich zu den Großen. Jans LUMASERV ist ein prima Beispiel dafür. Wenn wir eine individuelle Lösung von ihnen wollen, können sie sich viel leichter auf uns einstellen als es ein Unternehmen könnte, das an Großprojekte gebunden ist und dessen Teams sich nicht umformieren können. Gleichzeitig denke ich, dass Agilität nur in Strukturen funktioniert.
Was ist bei Euch anders als in großen Unternehmen?
LUCAS: Ich glaube, ein entscheidender Unterschied ist die Innovationskraft. Es ist sehr schwer aus einer bestehenden Struktur heraus Leute zu finden, die man da rausnimmt, um etwas Neues zu bauen. Man sieht das an den Inkubatoren, weil viele Unternehmen das gerade versuchen. All das ist bei jungen Unternehmen deutlich einfacher. Wer eine Idee hat, kann einfach zur Assistenz der Geschäftsführung gehen und sagen, wie sich ein Prozess optimieren ließe. Dann ist da zum Beispiel nur ein Entscheidungsträger, der sein Okay dazu gibt. Man muss nicht fünf Hierarchieebenen höher anfragen.
Könnt Ihr denn auch etwas von den großen Unternehmen lernen?
LUCAS: Ja, ich denke schon. Vor allem im Aufbau von Strukturen. Ab einer gewissen Größe braucht man Strukturen, weil man sonst den Kundenwünschen nicht hinterher kommt.
DANIEL: Wenn ich es nochmal machen müsste, würde ich von Anfang an für Strukturen sorgen. Man sollte auch bedenken: Alle mittelständischen Unternehmen waren mal Start-ups, und sie haben es geschafft bis jetzt zu überleben und sich ein rentables Geschäft aufzubauen, ihren Platz im Markt einzunehmen. Diese Ziele haben wir auch. Und wenn wir nicht von denen lernen, die diese Ziele bereits erreicht haben, von wem sonst?
Networking
Wie und wo holt Ihr Euch Tipps?
DANIEL: Netzwerken hilft ungemein. Entscheidend dabei ist vor allem Mut. Einer meiner ersten Schritte beim Netzwerken war, Sascha Böhr über Twitter zu kontaktieren.
Sascha Böhrs Büro ist doch hier im TZK, Du hättest einfach hingehen können.
DANIEL: Das habe ich mich aber nicht getraut. Zu dem Zeitpunkt bereitete Sascha auf Twitter den Pitch mit Carsten Maschmeyer vor. Ich schrieb ihm “Bock auf Essen?”, und so kamen wir ins Gespräch. Man muss sich überwinden und Leute anschreiben, die man noch gar nicht kennt. Das ist mithilfe von Social Media ziemlich einfach. Als junge Leute dürfen wir nicht zu zögerlich sein.
Spielt die Region für Euch eine Rolle?
DANIEL: Die Region ist unser Zuhause, deshalb möchte man die Region gerne unterstützen. Doch es ist nicht einfach an gute Fachkräfte zu kommen. Die großen Unternehmen bieten höhere Gehälter und bekommen daher Personal aus nahegelegenen Orten. Von unseren 15 Mitarbeitern sind die meisten extra hierher gezogen, weil ihnen unsere Vision gefällt. Der Vorteil von Koblenz ist unter anderem, dass man von der Stadt ernstgenommen wird. Wir arbeiten mit öffentlichen Trägern zusammen, daher ist das wichtig für uns.
JAN: Bei mir ist es ähnlich. Grundsätzlich ist der Standort meiner Firma für mich nicht relevant. Im Serverbereich macht es Sinn, sich nicht zu weit von Frankfurt zu entfernen, weil man regelmäßig dorthin muss. Für Koblenz spricht, dass es Heimat ist.
Frauen in der Gründerszene
Jetzt sitze ich hier mit vier jungen Männern. Warum gibt es in der Gründerszene vergleichsweise wenige Frauen?
DANIEL: Ich kenne tatsächlich sogar viele Gründerinnen. Die meisten von ihnen beginnen an der WHU zu studieren und gründen erst dann. Ich glaube, Frauen sind verantwortungsbewusster. Sie haben einen Backup-Plan. Vielleicht gründen Frauen deshalb etwas später.
LUCAS: Ich denke aber, dass sich das in größeren Städten relativ ausgleicht. In Münster sieht es anders aus. Ich war vor zwei Wochen beim Ideenstipendium vom VCM. Das VCM ist ein Venture Club, eine Studenteninitiative. Dort waren sehr viele Gründerinnen anwesend. Ihre Gründungsideen gingen aber in eine andere Richtung. Es hatte mit sozialem Engagement zu tun. Hilfsprojekte für Afrika zum Beispiel.
DANIEL: Ja, genau. Auch die Frauen, die ich kenne, bauen ungewöhnliche Nischen-Startups und gehen damit durch die Decke.
Welche Tipps habt Ihr für angehende Gründer?
LUCAS: Wer keine Unternehmer als Eltern hat, muss sich ganz besonders informieren und lernen. Das ist auch bei mir so. An der Uni wird uns das leider nicht vermittelt. Ein Kurs für Unternehmertum wäre daher nicht schlecht – oder etwas mit Steuerrecht.
DANIEL: Lerne das, was du tust, zu verkaufen. Und zwar möglichst schnell. Das ist mein Tipp. Ich denke nämlich, dass die meisten Start-ups in Deutschland zwar coole Ideen und tolle Entwickler haben, aber kein Geld verdienen. Als Gründer wollen wir innovativ sein, eine Vision haben, aber wer kein Geld verdient, kann keins ausgeben. Was sich nicht verkauft, hält sich nicht.
Links: