Was kann der Mittelstand von Unicorns lernen? Friedrich Kammerlander über Zebracorn

Zu den jüngsten Start-ups in unserer TZK-Familie zählt Zebracorn. Wir haben den Gründer Friedrich Kammerlander getroffen, um von ihm zu lernen und zu erfahren, wofür das Unternehmen steht.

Herr Kammerlander, was ist Zebracorn?

Beim Namen Zebracorn handelt es sich um eine Mischung aus Unicorn und Zebra. Als Unicorns bezeichnet man Start-ups, die schnell wachsen und ganz groß werden wollen. Zebras sind eher mittelständische Firmen, denen es vielmehr um Nachhaltigkeit geht, also nachhaltiges Wachstum. Beide Wege haben ihre Daseinsberechtigung. Sowohl die Unicorns als auch die Zebras haben ihre Stärken und Schwächen. So sind die Zebras sehr wertvoll, könnten aber oft erfolgreicher sein, wenn sie sich einige Methoden der Unicorns aneignen würden. Dabei helfen wir.

Bringen Sie Methoden der Unicorns in mittelständische Unternehmen, damit diese besser auf den Wandel reagieren können?

Ganz genau. Meine Hauptexpertise ist das Thema Agilität. Der Markt verändert sich ständig und immer schneller. Agilität hilft, zügiger auf Veränderungen zu reagieren und sich anzupassen. Mit den entsprechenden Methoden verkürzt sich zum Beispiel der Zyklus in der Produktentwicklung. Indem man den Kunden von Anfang an in den Mittelpunkt stellt und sich regelmäßig Feedback einholt, kommt am Ende ein Ergebnis heraus, das tatsächlich gefragt ist. Das heißt, man ist nicht nur schneller, sondern hat auch ein besseres Produkt.

Friedrich Kammerlander über Zebracorn.

Geht es dabei ausschließlich um Produktentwicklung oder helfen Sie auch im Bereich Personal?

Agile Methoden lassen sich in sämtlichen Abteilungen und interdisziplinär anwenden. Sie stammen aus der Software-Entwicklung, aber ihre Wurzeln haben sie teils woanders. So wurden vergleichbare Methoden bereits vor langer Zeit in der Automobilindustrie angewendet. Ein ganz wichtiger Aspekt dabei ist Transparenz. Auch in der HR-Abteilung. So erfährt man, wer vor welchen Herausforderungen steht und welche Unterstützung benötigt wird, um die Probleme zu lösen.

Aus der Industrie sind auch Begriffe wie Kaizen bekannt.

Richtig, da wird dann zum Beispiel mit Kanban gearbeitet, aber der Gedanke dahinter ist der gleiche: Ich will mich fortwährend verbessern. Ich möchte in einer Firma arbeiten, in der man Feedback geben darf und dieses angenommen wird, um sich Schritt für Schritt zu verbessern. Die Arbeitskultur ist dabei entscheidend.

Wenn ich mir ein Team anschaue, in dem ein Produkt entwickelt wird, dann will ich einerseits Feedback zum Produkt und andererseits auch Feedback zum Prozess. 

Wie gehen Sie dabei vor?

Falls eine Firma noch nicht viel mit Agilität zu tun hat, fangen wir meistens mit einer Schulung an. Das kann einen großen Wandel in der Firmenkultur in die Wege leiten. Meist sind gewisse Rollen und Funktionen bereits vorhanden, aber diese entsprechen nicht zwangsläufig denen von Scrum, welches das meistgenutzte agile Framework ist. Daher biete ich auch eine Ausbildung zum Scrum-Master an. Das ist die für den Prozess verantwortliche Person. Sie hat keine Weisungsbefugnis, sondern räumt alle Herausforderungen aus dem Weg, verbessert das Team und sorgt dafür, dass alles funktioniert, damit das Team produktiv arbeiten kann. Eine andere Funktion übernimmt der sogenannte Product Owner. Diese Person kümmert sich um das Produkt, schaut ganz genau, was die Anforderungen sind und bündelt die Informationen im Product Backlog, damit das Entwicklungsteam alles umsetzen kann.

Demnach muss der Kulturwandel von der Führungsebene ausgehen?

Ja, aber plakativ ausgedrückt, heißt es mitunter: “Also die da unten….” Und wenn man mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spricht, sagen diese: “Wir würden ja gerne, aber die da oben lassen uns nicht. Wir wollen selbst entscheiden, werden aber gebremst.” Eine Kulturveränderung sollte immer von der ganzen Firma mitgetragen werden. Sie muss von oben gewünscht sein und unterstützt, aber auch mitgemacht und getragen werden. Wenn man von oben Klötze zwischen die Beine geworfen bekommt, nützt es nichts. Umgekehrt gilt das auch. Wenn man dem Team Verantwortung übergibt, aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Entscheidungen treffen wollen, funktioniert das auch nicht. Daher müssen alle Ebenen mitmachen. Dafür ist sehr viel Kommunikation notwendig. Man braucht Meetings, Workshops und muss gemeinsame Ziele sowie Leitwerte definieren. Kulturveränderung ist ein Prozess.

Sitzen in Ihren Schulungen Vertreter unterschiedlicher Abteilungen eines Unternehmens?

Im Idealfall, ja. Die Schulungen sind breit gefächert. Man kann sich auf eine ganz bestimmte Funktion, wie den Scrum Master, ausbilden lassen oder zum Einstieg die Grundlagen agiler Methoden vermittelt bekommen. Ganz wichtig ist aber die Begleitung in der Umsetzung. Denn es gibt Prozesse, die im Framework gut klingen, aber sobald sie auf die Realität treffen, nicht wirklich zum Firmenalltag passen. Ich unterstütze bei der individuellen Anpassung ans jeweilige Unternehmen.

Was viele kennen dürften, ist das tägliche Standup-Meeting. Manche betrachten es kritisch. Woran liegt das?

Beim typischen Standup-Meeting in Entwickler-Teams sagt jeder, was er zuletzt gemacht hat, vor welchen Herausforderungen er steht und so weiter. Manche empfinden diese Meetings als Kontrolle und Druck. Das sollen sie aber nicht sein, sondern eindeutig Problemlösung und ein schnelles Vorankommen ermöglichen. Die Voraussetzung dafür ist Transparenz. Diese kann sowohl positiv als auch negativ empfunden werden. Wenn ich Transparenz in ein Unternehmen einführe, in dem Fehler nicht erlaubt sind, weil man dann vom Chef einen auf den Deckel bekommt, kann es nicht gutgehen. In einer gut funktionierenden, den Menschen zugewandten Firmenkultur erkennt jemand hingegen selbst, wenn er zum Beispiel zu wenig leistet und sagt zum Vorgesetzten, dass er an einer anderen Stelle besser helfen könnte. Oder die Vorgesetzte erkennt es und bietet demjenigen an, seine Stärken woanders für das Unternehmen einzubringen. 

Wie sind Sie zum Thema Agilität gekommen?

Rückblickend hatte ich schon als junger Pfadfinder damit zu tun, denn da gibt es viele Parallelen. So lernt man als Pfadfinder, den Lagerplatz ordentlicher zu hinterlassen, als man ihn vorgefunden hat. Das ist eine der Kernaussagen von Agilität: Wir wollen die Sachen gründlich machen und kontinuierlich verbessern.

Rollup Zebracorn

Zunächst haben Sie Informatik und theoretische Medizin studiert. Was kam danach?

Nach dem Studium war ich für das Unternehmen TNG Technology Consulting tätig, das seitdem von etwa 60 Mitarbeitenden auf inzwischen über1000 gewachsen ist. Dort kam ich zum ersten Mal mit agilen Methoden in Berührung. 2009 habe ich meine Ausbildung zum Scrum Master gemacht und festgestellt, dass Fehler oft an unklaren Anforderungen oder misslungener Kommunikation liegen und entstehen, wenn ein Team nicht gut zusammenarbeitet. Nach drei Jahren zogen wir in die Schweiz, wo ich mich direkt als Scrum Master bewarb, da man in dieser Funktion aus meiner Sicht mehr bewegen kann und die Möglichkeit hat, viele Probleme direkt an der Wurzel zu beheben. Ich liebe es, Menschen als Individuen voranzubringen. Das durfte ich besonders intensiv, als ein neues Team in Bratislava aufgebaut wurde und somit unterschiedliche Mentalitäten aufeinandertrafen.

Mussten Sie zwischen den unterschiedlichen Mentalitäten vermitteln?

Als Deutscher in einer Schweizer Unternehmenskultur ein slowakisches Team einzugliedern – ja, da musste ich viele Wogen glätten. Nicht weil jemand böse war, sondern aufgrund von kulturellen Unterschieden und den damit einhergehenden Unterschieden in der Kommunikation. Während die Slowaken sehr direkt sind und gerne Dinge ohne Umschweife auf den Tisch legen, vermeiden die Schweizer Direktheit zugunsten von Höflichkeit. In dieser Zeit habe ich sehr viel über Kommunikation gelernt.

Aufgrund von weiteren Umzügen durch Stellenwechsel meiner Frau, war ich später für 1&1 in Montabaur tätig und gründete schließlich mit meiner Frau und weiteren Familienmitgliedern ein Unternehmen in Bayern. Da wir aber unseren Lebensmittelpunkt in Koblenz haben und deswegen lokaler aufgestellt sein möchten, gibt es nun die Tochterfirma Zebracorn hier im TechnologieZentrum Koblenz.

Herzlich willkommen in der #tzkfamily, Herr Kammerlander!